Am Samstag, den 22.September 2018 machte ich mich mit unserem Vereinskollegen Norbert Stegmüller auf den Weg nach Aschheim / Ismaning (bei München), um dort am folgenden Tag beim großen BMW-Mannschaftszeitfahren teilzunehmen. Nach einem zünftigen Abendessen in einem urigen, typisch bayuwarischen Gasthof konnten wir leider nicht an den dortigen feucht-fröhlichen Festivitäten mit Live-Musik, Dirndl und Maßkrug im Untergeschoss mitmischen, denn es galt, ausreichend Schlaf zu bekommen um mit ausgeruhten Beinen am nächsten Morgen an den Start zu gehen.
Am Sonntagvormittag trafen wir dann unsere beiden schnellen Mitstreiter und Zeitfahrspezialisten Tim Fleckenstein (TSV Crailsheim) und Werner Ruf (MTV Aalen) vor dem BMW-Testgelände. Der in der Nacht andauernde Regenschauer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits nachgelassen und es bahnten sich bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die abziehenden Regenwolken. Allerdings blies ein strammer, böiger Westwind und wir ahnten, dass dieser uns später noch kräftig zusetzen würde.
Nach dem Anbringen der Startnummern und der technischen Abnahme unserer Zeitfahrboliden machten wir uns ans Aufwärmen und füllten nochmals einige leicht verdauliche Kohlenhydrate nach. Um 11.50 Uhr ging es dann endlich an den Start zu den neun Runden mit insgesamt exakt 70 Kilometern Streckenlänge. Vom ersten bis zum letzten Meter hieß es, mit möglichst flacher, aerodynamischer Zeitfahrposition, dicht hintereinander wie in einer Perlenkette aufgereiht, bei hohem Tempo und harmonischen Wechseln die 90 Minuten zu absolvieren. Oder sollte man besser sagen: "...zu durch- leiden..."? Denn für alle war es ein Kampf bis zum Äußersten. Keiner gab nach. Keiner wollte rausnehmen, abreißen lassen oder gar aufgeben.
Entscheidend bei solchen Rennen ist es, sich vorne so kompakt wie möglich dem Wind entgegenzustemmen, bei möglichst hoher Wattzahl das Tempo gleichmäßig hoch zu halten und dabei trotzdem ständig die Bodenbeschaffenheit sowie vor allem die zu überholenden Teams im Auge zu behalten. Nach dem Wechsel möglichst fließend hinten in den Windschatten der anderen schlüpfen, einen Schluck trinken und so schnell wie möglich das zuvor gebildete Laktat wieder auf ein erträgliches Niveau abzubauen. Nach ungefähr zwei Minuten, die sich jedes Mal kürzer anfühlen, weicht der Vordermann wieder zur Seite aus und es fühlt sich wieder so an, als ob man gegen eine Wand aus Luft prallt. Dass der Luftwiderstand mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt, wird einem da schlagartig wieder bewusst.
Bereits nach nur zwei Runden zeigten sich bei mir die ersten Erschöpfungsanzeichen. Keine Ermüdungserscheinungen, echte Erschöpfungsanzeichen! Die innerlichen, mentalen Peitschenhiebe nahmen daher immer mehr zu: "bleib dran" ... "atme" ... "auf, vorne jetzt fünf mal zehn Tritte" ... "nicht nachlassen" ... "kleinmachen" ... "achte nur auf die Nabe (des Vordermanns)" ... "lass bloß den Gang drin" ... "den anderen tut es sicher auch weh" ... "beißen!!“..."Du wirst heute nicht aufgeben, niemals!"...
Bis der Körper und der Geist in eine Art Trance verfielen. In diesem Zustand wusste ich nicht einmal mehr, in welcher Runde wir uns befanden. Auch das Nachrechnen war nicht mehr möglich. Nur ein gequälter Schmerzenslaut ab und an zeigte mir, dass ich noch nicht ganz weggenebelt war.
Auch wenn es recht widersprüchlich erscheint war ich trotz dieses Zustands völlig fokusiert auf das Renngeschehen. Denn die kleinste Unachtsamkeit kann bei einem solchen Mannschaftszeitfahren verheerende Folgen haben. Bei einem Abstand von 0,5 - 1 Meter zum Vordermann und bei diesen hohen Geschwindigkeiten kann jeder plötzliche Geschwindigkeitsverlust und jedes kleine Ausweichmanöver zum Sturz des gesamten Teams führen. Jeder Führungswechsel muss daher unbedingt angezeigt werden (bei uns durch eine schnelle Links-Rechts-Bewegung des Zeitahrhelmes). Mit der Hochprofilfelge vorne und dem Scheibenrad hinten bietet das Rad samt Fahrer vor allem bei böigem Seitenwind eine große Angriffsfläche. Den Steuerkünsten der auf den Extensions liegenden Fahrern wird dabei einiges abverlangt. Schnell wird man so von einem Windstoß einen halben Meter zur Seite geschoben und muss sofort die Position wieder stabilisieren, ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren.
Insgesamt haben wir durch unsere langjährige Erfahrung auch in dieser Zusammensetzung sehr harmonisch agiert. Wir konnten das Rennen gut einteilen und haben wie angestrebt zu viert die Ziellinie passiert. Dabei erreichten wir auf der langen Geraden einer jeden Runde Geschwindigkeiten von etwa 55 Stundenkilometern, auf der Gegengeraden bremste uns der Gegenwind dafür bis auf unter 40 km/h herunter. Zwischen den langen Geraden befand sich jeweils eine 180°-Steilkurve. Auch wenn diese nur wenige Höhenmeter aufwies, kostete es doch jedes Mal richtig Körner, das Tempo auch über diese Wellen hinweg möglichst nicht absacken zu lassen.
Nach 1:32:12 Stunden und einer für diese unangenehmen Windverhältnisse ganz ansehnlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 45,6 Stundenkilometern durften wir uns über einen 6. Platz von 39 teilnehmenden Mannschaften freuen. Angesichts der Tatsache, dass einige Teams gespickt waren mit A- und B-Lizenzfahrern, sind wir mit unserem Abschneiden überaus zufrieden.